Spielt unsere Ernährung beim Thema „Implantate“ eine Rolle?
Sind Erkrankungen des Zahnfleischs und der Zähne ein lokaler Nebeneffekt unserer Ernährung oder kann man Sie auch als Marker für eine allgemein ungesunde Ernährung sehen?
Phillipe P. Hujoel, Professor im Fachbereich Medizin an der University of Washington, (Seattle, USA) stellte in einem Zeitschriftenartikel aus dem Jahr 2009 die Frage: „Sind Erkrankungen des Zahnfleischs und der Zähne ein lokaler Nebeneffekt unserer Ernährung oder kann man Sie auch als Marker für eine allgemein ungesunde Ernährung sehen?“. Eine interessante Fragestellung. Was wissen wir über die Ursachen von Erkrankungen der Zähne und ihrer umgebenden Gewebe? Betrachten wir die zwei häufigsten: Karies und Parodontitis. Parodontitis ist übrigens die Bezeichnung für eine chronische Entzündung der Stützgewebe um unsere Zähne herum, die gleichzeitig zu einem voranschreitenden Verlust dieser Gewebe einschließlich des Knochens führt. Die harmlosere „Vorstufe“ davon bezeichnet man als „Gingivitis“ – diese kennt fast jeder, sie äußert sich vor allem in Zahnfleischbluten. Gingivitis ist „heilbar“, entsteht jedoch eine Parodontitis, gibt es kein Zurück mehr, der voranschreitende Verlust an Stützgewebe lässt sich aber wenigstens noch durch geeignete Therapiemaßnahmen aufhalten. Beide Formen können übrigens auch Implantate befallen – hier heißt „Gingivitis“ dann „periimplantäre Mukositis“ und „Parodontitis“ heißt „Periimplantitis“.
Aber zurück zur Ernährung und zunächst zur Volkskrankheit Karies. Wovon bekommen wir Karies? Wenn wir zu selten oder zu wenig effektiv putzen? Wenn wir keine fluoridhaltige Zahnpasta verwenden? Ja- sicherlich begünstigen diese Aspekte die Entstehung von Karies. Der zentrale Punkt ist aber ein anderer, nämlich die Zufuhr von Zucker und industriell verarbeiteten Kohlehydraten wie Stärke. Ein paar der über 700 verschiedenen Bakterienarten in unserer Mundhöhle mögen Zucker. Sie ernähren sich davon und bilden daraufhin als Stoffwechselprodukt Säure, genauer gesagt vor allem Milchsäure. Und da diese Bakterien sich relativ schnell an den Zähnen ansiedeln, geraten ihre Säuren auch schnell in Kontakt mit der Zahnoberfläche und lösen diesen – vereinfacht gesagt – auf. Essen wir also häufig Zucker, dann passiert folgendes: zum einen kommt es zu einem wiederkehrenden „Säureangriff“ auf die Zahnoberfläche – irgendwann entsteht dann ein „Loch“ und somit eine behandlungsbedürftige Karies, zum anderen entsteht für die Bakterien eine Umgebung (oder Umwelt), in der gerade die Bakterienarten, die gerne Zucker mögen und in einer sauren Umgebung gut leben können, besonders schnell wachsen. Klar hilft es, mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta diesen Prozess zumindest zu bremsen: wir putzen den klebrigen Bakterienbelag einfach vom Zahn herunter und die Fluoride reparieren initiale Schäden an der Zahnoberfläche.
Also: essen wir doch ruhig Zucker – wir können danach ja wieder putzen? Was wäre, wenn wir die Zuckerzufuhr (und auch die Zufuhr industriell verarbeiteter Kohlenhydrate) verringern würden? Hat Zucker denn außer der Tatsache, dass er Karies verursacht, weitere Auswirkungen auf die Gesundheit? Tatsächlich können wir annehmen, dass chronische „Zivilisationkrankheiten“ wie Diabetes mellitus Typ 2 und das sogenannte metabolische Syndrom ebenfalls mit einem langfristig hohen Zuckerkonsum in Verbindung stehen. Ist es zu stark zugespitzt formuliert, wenn wir sagen: heute Karies, morgen Diabetes mellitus Typ 2 – eigentlich doch ganz im Sinne von Hujoel: Zähne als Marker für eine allgemein ungesunde Ernährung. Karies gewissermaßen als frühe Warnung, dass ein paar Jahre oder Jahrzehnte später andere Erkrankungen zum Vorschein kommen könnten.
Und Parodontitis bzw. chronische Entzündungen der Mundhöhle? Hier wissen wir seit ein paar Jahren ebenfalls einiges: Zucker und verarbeitete Kohlenhydrate in zu hohem Maß und zu häufig konsumiert verursachen in unseren Zellen Stress, der zu einer zusätzlichen Aktivierung von Abwehrvorgängen führen kann und die Entstehung von chronischen Entzündungsvorgängen allgemein begünstigt – eben auch Gingivitis und Parodontitis (und deren Pendants um Implantate herum). Aber nicht nur das, auch die Art der Fette, die wir zu uns nehmen, hat eine Bedeutung. Stoffwechselprodukte, die aus Omega-3-Fettsäuren gebildet werden, helfen beispielsweise, Entzündungsvorgänge zu beenden. Und Eiweiß von Tieren aus Massentierhaltung scheint wiederum chronische Entzündungen zu begünstigen. Eine zu niedrige Zufuhr an Ballaststoffen korreliert mit höheren Entzündungsgraden am Zahnfleisch und selbstverständlich führt eine dauerhaft zu geringe Zufuhr verschiedenster Vitamine und Mineralstoffe dazu, dass unsere Abwehr nicht einwandfrei funktionieren kann. Der amerikanische Ernährungsmediziner Dr. Fuhrman kritisiert in seinem Buch „Eat to live“ völlig zurecht, dass unsere „westliche Ernährung“ meist zu energiedicht (Zucker und Stärke sind schließlich nichts anderes als Energiequellen) und zu mikronährstoffarm (also zu arm an Vitaminen und Mineralstoffen) ist.
Diese Themen wollen wir in späteren Beiträgen vertiefen, für heute soll es erstmal dabei bleiben, dass wir verstehen: unsere Ernährungsweise hat einen großen Einfluss auf unsere Gesundheit im Allgemeinen und damit auch auf Zähne und Zahnfleisch im Speziellen. Erkrankungen der Zähne und des Zahnfleischs können möglicherweise als frühes Warnsystem unseres Organismus gesehen werden. Ein Warnsystem, das uns darauf hinweisen soll, insbesondere auf die Mengenverhältnisse von dem, was wir essen, zu achten.
In diesem Sinne: Bleiben Sie gesund!
Bis demnächst…